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Vor 100 Jahre: Spaltung der schweizerischen Arbeiterbewegung

11/12/2020

Vom 10.-12. Dezember 1920 tagte im grossen Saal des Volkshauses Bern der folgenschwerste Parteitag in der Geschichte der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (SPS). Es ging um die Frage des Beitritts zur Kommunistischen Internationale (Komintern) gemäss den von deren zweiten Kongress im Sommer 1920 in Moskau aufgestellten 21 Aufnahmebedingungen. Mit der Annahme der 21 Bedingungen wurde die Komintern zu einer zentralistisch von Moskau aus geführten Weltpartei. Faktisch wurde sie danach immer stärker zum aussenpolitischen Instrument der Sowjetregierung. Grigori Sinowjew (1883-1936), der Vorsitzende der Komintern, sprach offen aus, dass es das Ziel der 21 Bedingungen sei, gerade den linken Flügel der Sozialdemokratie zu spalten. In der Tat rissen die 21 Bedingungen diejenigen Parteien auseinander, die am konsequentesten für die Prinzipien der Zimmerwalder Bewegung eingestanden waren: Im Oktober 1920 am Parteitag in Halle die 1917 von der deutschen Antikriegsopposition gegründete Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD), im Januar 1921 am Parteitag in Livorno die italienische sozialistische Partei (PSI) und im Dezember 1920 die SPS. Auch die französische SFIO, die sich am Ende des Ersten Weltkriegs stark nach links entwickelt hatte, spaltete sich an ihrem Parteitag vom 25. bis 30. Dezember 1920 in Tours.

Nach anderthalb Tagen heftiger Debatten stimmte der Parteitag am Mittag des 11. Dezembers 1920 mit 350 zu 213 Stimmen dem Antrag des Parteivorstands zu. Damit lehnte der Parteitag den Beitritt zur Komintern ab, da die «21 Bedingungen für die Aufnahme in die Kommunistische Internationale (…) unerfüllbar» seien. Stattdessen solle die Parteileitung zusammen mit anderen linksozialdemokratischen Parteien, die sich kurz zuvor ebenfalls im Berner Volkshaus zu einer Vorkonferenz versammelt hatten, Verhandlungen mit der Komintern führen. Nur dieser Weg ermögliche einen umfassenden «internationalen Zusammenschluss der revolutionären Arbeiterparteien».

Nach der Abstimmung verlies die den Beitritt befürwortende Minderheit den Parteitag und begann im damaligen Restaurant «Du Pont» im Kirchenfeld mit den Vorbereitungen zur Gründung der Kommunistischen Partei der Schweiz (KPS).

Eine Urabstimmung, die im Zeitraum vom 9. bis zum 22. Januar 1921 in den Parteisektionen durchgeführt wurde, bestätigte den Parteitagsentscheid sehr deutlich: 25’475 Parteimitglieder (73%) stimmten ihm zu, nur 8’777 (25%) sprachen sich für den Beitritt zur Komintern aus und lehnten den Beschluss des Parteitags ab.

Die SPS blieb damit klar die dominierende parteipolitische Stimme der schweizerischen Arbeiterbewegung. Die im März 1921 gegründete KPS, die anfänglich rund 6’000 Mitglieder zählte, blieb auf wenige Hochburgen (Basel, Schaffhausen, Zürich) beschränkt. Im Zug der – in den 21 Bedingungen im Kern bereits angelegten – weiteren Bolschewisierung und später der Stalinisierung der Komintern verlor die KPS viele Mitglieder, die teilweise in die SPS zurückkehrten.

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